Gefahrenabwehr zieht nach Großeinsatz in Münster Bilanz

Auf Einladung der Johanniter-Akademie zogen Vertreter der Stadt Münster, der Berufsfeuerwehr Münster, einer Facebook-Gruppe und des Technischen Hilfswerks (THW) Bilanz zum Unwettereinsatz Ende Juli/Anfang August in Münster. Auch wurde eine wissenschaftliche Studie zum Unwetter der Akkon-Hochschule Berlin vorgestellt.

Auf Einladung der Johanniter-Akademie zogen Vertreter der Stadt Münster, der Berufsfeuerwehr Münster, einer Facebook-Gruppe und des Technischen Hilfswerks (THW) Bilanz zum Unwettereinsatz Ende Juli/Anfang August in Münster. Auch wurde eine wissenschaftliche Studie zum Unwetter der Akkon-Hochschule Berlin vorgestellt. In den Vortragsabend leitete Günter Benning, Redakteur der Westfälischen Nachrichten und Autor des Buchs „Das Unwetter“, ein. Er zeigte Fotos und verschiedene Videos die während des Unwetters in Münsters Innenstadt aufgenommen wurden. Die Impressionen führten den ungeheuren Schaden vor Augen, den das Unwetter anrichtete: Entwurzelte Bäume und abgerissene Äste, zertrümmerte Fahrzeuge, überflutete Keller, Straßenzüge unter Wasser, Stromausfälle im gesamten Stadtgebiet und Menschen die verzweifelt versuchen ihr Hab und Gut vor den Flut zu retten. Für die Stadt Münster zog Ordnungsdezernent Wolfang Heuer Bilanz. Allein im Bereich der städtischen Gebäude entstand ein Gesamtschaden in Höhe von rund 7,4 Millionen Euro. Insgesamt geht die Stadt Münster von finanziellen Belastungen im städtischen Bereich von 17 Millionen Euro aus. Durch vollgelaufene Keller kam es beispielsweise zu 55 Öleinsätzen unter Beteiligung der Unteren Wasserbehörde, in 24.000 Haushalten fiel der Strom aus, mehr als 250 Bäume mussten gefällt werden. Im Verlauf des Einsatzes mussten die Abfallwirtschaftsbetriebe Münster mehr als 10.000 Tonnen Sperrmüll entsorgen – jährlich fallen in Münster normalerweise 6.000 Tonnen an. Auch viel durch einen zeitweiligen Ausfall des UKW-Senders von „Antenne Münster“ ein wichtiger Informations- und Warnkanal des Krisenstabes der Stadt weg. „Das aus dieser schockierenden Situation kein Chaos entstanden ist, ist in besonderem Maße den unmittelbar eingeleiteten Maßnahmen der Gefahrenabwehr zu verdanken“, so Heuer. Die Stadt dankte daher Feuerwehr, Hilfsorganisationen und THW für ihren Einsatz. Anschließend fasste Benno Fritzen, Direktor der Berufsfeuerwehr Münster, die Lage aus Sicht der Feuerwehr zusammen. Fritzen betonte gleich zu Beginn seines Vortrags die Dimension des Einsatzes: „Ein solches Szenario bringt man nicht in die schlimmste Planspielübung ein“. Stellenweise fielen 292 L/m² Regen in fünf Stunden. Die völlig überlastete Kanalisation – Münsters Entwässerungssystem hat eine Kapazität von 1,5 Million Kubikmetern, es fielen jedoch 40 Millionen Kubikmeter Regen – konnte die Wassermassen nicht aufnehmen und so kam es großflächig zu Überschwemmungen. „Überschwemmungen, die an einigen Stellen selbst die Watttiefe unserer Löschfahrzeuge überstieg“, so Fritzen. Das Unwetter forderte 2 Todesopfer, eine Frau wurde schwer verletzt als aufgrund einer Windhose Äste auf ihren Wagen stürzten, mehrere Menschen konnten aus volllaufenden Kellern durch die Feuerwehr gerettet werden. Die Feuerwehr war mit insgesamt 2500 Kräften im Einsatz, die Hilfsorganisationen mit 300. Bewährt hat sich aus Sicht der Berufsfeuerwehr Münster auch die vorgeplante überörtliche Hilfe der Feuerwehren in NRW. Unter anderem kamen Feuerwehrbereitschaften aus den Regierungsbezirken Düsseldorf und Köln zur Unterstützung nach Münster. Fritzen betonte in seinem Vortrag auch die gute Zusammenarbeit mit dem THW und hob das umfangreiche Leistungsspektrum des THW mit besonderer Ausstattung hervor, das maßgeblich zum Einsatzerfolg beigetragen hat. Für das THW zog Fachberater Stephan von Delft Bilanz. In der Summe waren 650 THW-Helfer/innen im Einsatz, bei einem Spitzenwert am 30.07. von 236 THW-Helfern die zeitgleich gegen die Folgen des Unwetters kämpften. Zum Einsatz kamen 32 Ortsverbände des THW aus zwei Landesverbänden. In der Geschichte des THW Münsters war dies damit der größte Unwettereinsatz überhaupt. Vom Unwetter waren nicht nur die Münsteraner THW-Helfer betroffen, auch an der Unterkunft des THW Münster waren die Auswirkungen des Unwetters zu spüren. So kam es zeitweise zu Stromausfällen, die jedoch durch Einspeisung/USV abgefangen werden konnten, und es gingen mehr als 1.500 Anrufe von Bürgern ein, die bei der überlasteten Notrufnummer 112 nicht durchgekommen sind. Im Auftrag der Einsatzleitung übernahmen die Kräfte des THW u.a. Aufgaben aus den Bereichen Erkunden, Pumpen, Ausleuchten, Beräumen, Einrichten und Betreiben einer Führungsstelle, Verpflegung und Kraftstofftransport. Damit war ein erheblicher Teil der THW-Kompetenzen gefordert. Die sehr komplexe Schadenlage war durch Dauer und Umfang der Niederschläge, eine hohe Zahl von Betroffenen im gesamten Stadtgebiet und blockierte Verkehrswege charakterisiert. Neben der Stadt Münster war auch die Stadt Greven (Kreis Steinfurt) von massiven Regenfällen betroffen. Auch dort kam das THW zum Einsatz. Des Weiteren konnte ein Phänomen beobachtet werden, dass dem THW bereits bei der Elbeflut 2013 begegnet ist: Die Selbstorganisation von Teilen der Bevölkerung über soziale Netzwerke. Diese Gruppen übernahmen Einsatzstellen von Feuerwehr und THW als diese weiter zur nächsten Einsatzstelle mussten und kümmerten sich beispielsweise um das Ausräumen von beschädigten Möbeln aus vollgelaufenen Kellern. „Man kann insgesamt konstatieren, dass dieser Einsatz gut gelaufen ist. Wir haben sehr gut mit Feuerwehr, Polizei und Hilfsorganisationen zusammengearbeitet und die Strukturen der Gefahrenabwehr haben sich bewährt“, so THW-Fachberater Stephan von Delft. Allerdings gibt es in Einzelbereichen Potential zur Verbesserung. „Wir müssen konsequent an der weiteren Verbesserung der Einsatzvorbereitung, einer Verbesserung besonderer Ausstattung im THW und auch an einer besseren Bereitstellung von Einsatzkräften arbeiten“, schlussfolgerte von Delft. Damit zukünftig gut ausgebildete Fach- und Führungskräfte zur Verfügung stehen bedarf es daher einer Stärkung des Ehrenamts, auch müsse besonderer Ausstattung, z.B. Netzersatzanlagen und Hochleistungspumpen, des THWs auf dem aktuellen Stand der Technik gehalten werden, damit das THW auch zukünftig die für die Gefahrenabwehr zuständigen Stellen mit besonderen Fähigkeiten weiter so gut ergänzen kann, wie in diesem Einsatz geschehen, so der Fachberater. Bastian Solke, Koordinator Fort- und Weiterbildung Rettungsdienst an der Johanniter-Akademie, schlussfolgerte, dass eine bessere Vorbereitung auf derartige Flächenlagen nötig ist. Er sieht Bedarf an organisationsübergreifenden Übungen, bei denen derartige Großeinsätze gemeinsam und realitätsnah trainiert werden. Darüber hinaus sollte laut Solke beispielsweise darüber nachgedacht werden, bei der Ausbildung für die Stabsfunktion S5 (Medien und Öffentlichkeitsarbeit) stärker auf die Rolle von Social Media einzugehen, damit dieser Informationskanal von der Einsatzleitung effektiver genutzt werden kann. Ein Großteil der Bürger hatte sich über soziale Netzwerke und das Internet über das Unwetter informiert. Schließlich stellte Prof. Dr. Henning Goersch von der Akkon-Hochschule Berlin Ergebnisse einer Umfrage zum Unwetter vor. Goersch stellt fest, dass „das Vorsorgeniveau der Bürger auf eine solche Lage sehr gering war. Hier muss angesetzt werden. Jedoch nicht mit Broschüren, sondern durch persönlichen Kontakt in den Stadteilen“. Zu den interessanten Ergebnissen gehört dabei auch, dass Bürger keine bevorzugte Informationsquelle bei Behörden hatten, sondern stattdessen in gleichem Maße versuchten Informationen bei Feuerwehr, Stadt und THW zu bekommen – eine mögliche Erklärung für das Hohe Aufkommen an Anrufen beim THW Ortsverband Münster. Goersch schlussfolgerte außerdem, dass man die Bürger nicht in eine Opferrolle bringen soll, sondern das Potential der Bürger zur Selbsthilfe stärker nutzen sollte. Insgesamt machte der Abend das komplexe Ausmaß dieses Einsatzes deutlich, zeigte jedoch auch, dass die etablierten Strukturen der Gefahrenabwehr funktionieren. Das THW war und ist ein verlässlicher Partner in diesem integrierten Hilfeleistungssystem. Im Abschlussbericht der Stadt Münster zum Unwetter heißt es dazu: „Das große Portfolio des THW an schwerem technischen Gerät sowie Fachkenntnisse der Einsatzkräfte waren von großem Wert“. Der Vortragsabend an der Johanniter-Akademie brachte beteiligte Akteure noch einmal zusammen und bot Möglichkeit den Einsatz aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu reflektieren. Zu den Gästen im Publikum gehörten neben Vertretern der Berufsfeuerwehr Münster auch Vertreter der Freiwilligen Feuerwehren Münster und Duisburg, der Bezirksregierung Münster, des Instituts der Feuerwehr NRW, der Polizei, der Einsatzeinheiten der Hilfsorganisationen, der Johanniter-Akademie und Helfer der Fachgruppe Führung/Kommunikation des THW Ortsverbandes Oberhausen, auch interessierte Bürgerinnen und Bürger aus Münster.


Foto: Westfälische Nachrichten (WN) Münster




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